Gespräche der Karmeliterinnen

Karmeliterinnen

„ES SOLLTE IMMER EIN DIALOG MÖGLICH SEIN“

Anlässlich der bevorstehenden Hildesheimer Erstaufführung der Oper GESPRÄCHE DER KARMELITERINNEN von Francis Poulenc sprach Musikdramaturg Ivo Zöllner mit Schwester Sara vom Karmel St. Josef in Hannover.

(Zum Download des vollständigen Programmheftes bitte auf das Bild klicken)

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Schwester Sara

Schwester Sara, warum wird man heute Nonne? 
Weil man Sehnsucht nach der Freundschaft mit Gott verspürt. Außerdem wird man durch Gott berufen, man spürt diesen Ruf in sich.

Was ist das Besondere am Orden des Karmel? 
Die Geschichte dieses Ordens begann ja mit Eremiten, also Einsiedlern am Fuße der Berges Karmel, die später von den Muslimen vertrieben wurden, nach Europa kamen und sich den hiesigen Bettelorden anschlossen. Im Unterschied etwa zu den Franziskanern, für die die Armut besonders wichtig ist, oder zu den Benediktinern, bei denen es die Liturgie und die Gastfreundschaft ist, geht es bei den Ordensbrüdern und -schwestern des Karmel ganz wesentlich um das zwei Mal täglich stattfindende innere Gebet, um Meditation, um die Freundschaft mit Gott.

Und was ist das Besondere an Teresa von Avila, die diesen Orden im 16. Jahrhundert reformierte? 
Eigentlich war sie nicht nur Reformatorin, sondern Neugründerin unseres Ordens. Sie hat diese Freundschaft mit Gott vorbildlich vorgelebt. Damals, im 16. Jahrhundert, hatten die Frauen ja eigentlich nicht viel zu sagen, aber sie ist selbstbewusst ihren Weg gegangen, war ungewöhnlich gebildet und belesen. Sie schuf den Schwestern einen religiösen Freiraum ohne einengende Vorschriften von außen.

Stimmt es, dass Teresa von Avila das Lachen ausdrücklich erlaubte und mit ihren Schwestern sogar Tänze einstudierte und aufführte? 
Sie wollte keine miesgrämige Heilige sein. Die Schwestern sollte zwar den ganzen Tag in Stillschweigen arbeiten, möglichst jede allein in ihrer Zelle, aber zwei Mal am Tag gab es nach dem Gebet auch ein Gemeinschaftsleben – Rekreation. Diese Verbindung von Einsiedelei und Gemeinschaft war ihr wichtig. Und an Festtagen gab es dann auch Tänze und Gedichte.

Seit wann ist Ihr Orden in Hannover ansässig? 
Wir sind im November 2013 vom münsterländischen Lembeck nach Hannover ins alte Klarissenkloser gezogen, nachdem die dort 14 Jahre lang ansässigen polnischen Ordensschwestern, die zuletzt nur noch zu fünft waren, sich aufgelöst und auf andere Karmelklöster in Polen und Norwegen verteilt hatten. Wir waren im Münsterland sehr gut verankert. Die Heizungskosten für das alte Gebäude und die Kirche waren jedoch sehr hoch. Teilweise hatte die Kirche im Winter nur 6 Grad Celsius. Hier sind die Räume moderner und besser beheizbar, natürlich hat die Stadt auch weitere Vorteile, etwa beim Einkaufen.

Ihre Kirche wurde renoviert und im letzten September vom Hildesheimer Bischof Norbert Trelle neu geweiht. 
Ja, er ist unser Bischof und alle Gläubigen sind in unserer Kirche willkommen. Sie haben ja gesehen, dass wir kein Sprechgitter mehr an der Klosterpforte haben, es gibt auch kein Gitter, das in der Kirche den Nonnenchor abtrennt.

Kennen Sie „Die Letzte am Schafott“ von Gertrud von le Fort? 
Oh ja, ich habe die Erzählung natürlich gelesen.

Könnten Sie sich heute vorstellen, für Ihren Glauben zu sterben? 
Diese Frage stellt man sich natürlich: Wie würde ich reagieren? Ich hänge natürlich an meinem Leben, aber wenn ich wirklich in eine ähnliche Situation käme, würde Gott mir auch Kraft verleihen. Die so ängstliche Blanche beweist am Ende der Geschichte ja unglaublichen Mut. Sie hätte vorher nie gesagt, dass sie einmal zur Märtyrerin wird, aber im entscheidenden Moment entscheidet sie sich frei: Ja, ich gehöre dazu! Diese Kraft für diesen Entschluss kann ihr nur ihr Glaube an Gott gegeben haben. Zurzeit lese ich die „Brautbriefe“ von Dietrich Bonhoeffer und merke, wie sehr er durch den Glauben Kraft und Standhaftigkeit erhielt. Es darf nie wieder dazu kommen, dass wir Menschen anderer Religion, Hautfarbe und Kultur ausgrenzen und verfolgen.

Ein großes Thema in der Novelle wie in der Oper von Poulenc ist die Angst. Haben Sie Angst? Angst vor der Islamisierung oder „Atheisierung“ des Abendlandes? 
Die aktuelle Entwicklung lässt mich hellhörig werden. Wie gehen wir mit Muslimen um? Blanche ist durchaus ein Vorbild, wie man mit der Angst umgehen kann. Wie gehen wir mit den Ängsten von Menschen um? Eine anti-muslimische Einstellung ist falsch, denn Hass bringt gar nichts, aber die eigenen Ängste sollte man wahrnehmen. Und zum Atheismus: Die Gleichgültigkeit ist schlimmer als der Atheismus, denn Atheisten denken ja auch nach. Man sollte immer, auch zwischen unterschiedlichen Glaubensrichtungen zuerst nach dem Verbindenden suchen und nicht danach, was uns unterscheidet. Angst habe ich nur vor Fundamentalisten, egal aus welcher Richtung, also vor Leuten, deren Blick so starr und eingeengt ist, dass man nicht mehr mit ihnen reden kann. Es sollte immer ein Dialog möglich sein. Wo dies nicht möglich ist, zum Beispiel beim IS, da bekomme ich Angst. Silvester haben wir hier gemeinsam mit Orthodoxen und Muslimen gefeiert, das ist für mich gelebte Ökumene.

Am 28. März feiern Sie den 500. Geburtstag von Teresa von Avila. 2017 jährt sich der Thesenanschlag Martin Luthers und damit der Beginn der Reformation zum 500. Male. Sehen Sie nach einem halben Jahrtausend Chancen auf eine Wiedervereinigung der abendländischen Kirche?
Ich sehe Chancen im Dialog. Ich selbst entstamme ja einer ökumenischen Familie, meine Mutter war katholisch, mein Vater evangelisch.

War es für Ihren Vater – analog zur Eingangsszene der Poulenc-Oper – nicht ein ungeheurer Schock, als Sie ihm eröffnet haben, dass Sie ihr weiteres Leben im Kloster verbringen wollen?
Ja, er wollte mich enterben und hat nicht mehr mit mir gesprochen, aber als er mich dann im Kloster besuchte, hat er gemerkt, dass ich in gar keinem Gefängnis bin, wie er glaubte, sondern dass ich glücklich bin. Da war er dann beruhigt und wir hatten wieder engen Kontakt.

Blanche wählt sich in unserem Stück den Beinamen „von der Todesangst Jesu“. Haben Sie auch Angst vor dem Tod?
Ja, aber mehr in dem Sinne, dass ich Angst habe, mich nicht mehr von geliebten Menschen verabschieden zu können. Ich habe die Hoffnung dass im Moment meines Sterbens ein geliebter Mensch bei mir ist, der meine Hand hält. Als ich einmal einen Autounfall hatte, spulte sich wie in einem gerafften Film vor meinen Augen mein ganzes Leben ab. Es ging dann glimpflich aus, aber so ähnlich stelle ich mir diesen Moment vor. Ich bin natürlich gespannt zu sehen, wie Jesus aussieht, wenn ich ihm in unserer endgültigen Heimat gegenübertrete. Trotzdem hänge ich an meinem Leben und lebe gerne.