Eugen Onegin

Programmheft Eugen Onegin

Onegin

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  • Zum Autor

    Alexander Puschkin (Aleksandr Sergeeviˇc Puškin, 1799 – 1837) war einer der schillerndsten russischen Dichter des 19. Jahrhunderts und gilt seinen Landsleuten noch heute als ihr erster Nationaldichter – von einem Ausnahmerang, wie die Deutschen ihn Goethe vorbehalten. Kaum ein anderer Dichter führte ein so turbulentes Leben und musste so früh aus diesem scheiden – und keiner hat sein eigenes Ende Jahre vorher so genau vorausgesehen und literarisch verarbeitet wie Puschkin: In seinem epochalen Versroman ‚Eugen Onegin‘ fällt der Dichter Lenski einem Duell zum Opfer – so wie wenige Jahre nach Vollendung des Werkes Puschkin selbst. Auch hier ging es um Eifersucht und gekränkte Ehre: Ein Franzose, Georges-Charles de Heeckeren d’Anthès, machte Puschkins Ehefrau so unverblümt den Hof, dass die ganze Petersburger Gesellschaft darüber tratschte. Puschkin, der sogar anonyme Schmähbriefe erhielt, fühlte sich dadurch so tief verletzt, dass es zum Duell mit dem Widersacher kam. In diesem erlitt Puschkin einen Bauschuss und erlag zwei Tage später, am 8. Februar 1837 (nach dem heute gültigen gregorianischen Kalender) seiner schweren Verletzung. In Puschkins Wohnhaus wurde sogar eine Wand durchbrochen, damit die vielen Schaulustigen ihn auf dem Totenbett sehen konnten. Zeitzeugen sprechen von vielen tausenden Trauernden. Es war das 29. Duell, in das Puschkin verwickelt war, doch zuvor hatte er die Duelle stets selbst provoziert, weil er mit verheirateten Frauen anbandelte und so deren Gatten kränkte. Durch Provokationen wie das demonstrative Kirschenessen beim Duellieren gelang es ihm Daniel Jenz mitunter, den Schuss auf sich im letzten Moment abzuwenden, denn die Gegner fühlten sich dadurch in ihrem Ehrempfinden so gekränkt, dass sie eine Fortsetzung des Duells als unter ihrer Würde empfanden. Es ist nicht ohne Tragik, dass Puschkin nach vielen glücklich überstandenen Duellen gerade in dem Duell ums Leben kam, in dem es um die Ehre seiner eigenen Gattin ging, in dem er also selbst der gekränkte Ehemann war. Sein Gegner d’Anthès wurde nach dem Duell aus Russland ausgewiesen, ging zurück nach Frankreich und machte dort später unter Kaiser Napoleon III. politische Karriere. Väterlicherseits entstammte Puschkin altem russischem Adel, mütterlicherseits war sein Urgroßvater ein afrikanischer Sklave, der dem Zaren geschenkt worden war und dessen Patenkind wurde. Als Jugendlicher wurde Puschkin von den Ereignissen um Napoleons Russland-Feldzug 1812 geprägt und entwickelte sich zu einem liberalen Freigeist, der durch seinen beißenden Spott immer wieder bei der Obrigkeit aneckte. So war es nur eine Frage der Zeit, bis er den Zaren so sehr gegen sich aufgebracht hatte, dass dieser ihn in die südrussische Provinz verbannte. Dort begann Puschkin ‚Eugen Onegin‘, seinen Roman in Versen, der die Geschichte einer unglücklichen Liebe erzählt und zugleich ein ironischbissiges Bild der russischen Adelsgesellschaft jener Jahre zeichnet. Nachdem dieser Adel zuvor fast ausschließlich französisch gesprochen hatte, gab Puschkin ihm mit seinen Werken die Leidenschaft für die eigene Muttersprache zurück.

    Ivo Zöllner

  • Zum Komponisten

    Peter Tschaikowsky (Pëtr Il’iˇc ˇCajkovskij, 1840 – 1893) war und ist der berühmteste russische Komponist nicht nur des 19. Jahrhunderts, der uns so viele berührende Melodien hinterlassen hat wie kaum ein anderer und dessen Werke aus den Opernhäusern und Konzertsälen nicht mehr wegzudenken sind. Seine Oper Eugen Onegin nach dem gleichnamigen Versroman von Alexander Puschkin wurde – trotz ihres für Mitteleuropäer ungewöhnlich lyrisch-intimen und undramatischen Charakters – zur populärsten russischen Oper überhaupt. In Russland steht sie noch heute bei festlichen Anlässen so selbstverständlich auf dem Programm wie in Deutschland Wagners Festoper ‚Die Meistersinger von Nürnberg‘. Dabei war dieser Erfolg dem in Wotkinsk am Ural geborenen und in Sankt Petersburg aufgewachsenen empfindsamen jungen Mann keinesfalls in die Wiege gelegt. Er besuchte zuerst die Petersburger Rechtsschule, um eine höhere Beamtenlaufbahn einzuschlagen, doch schon nach wenigen Jahren entschied er sich für den Weg des Berufsmusikers und studierte am Petersburger Konservatorium u.a. Komposition bei Anton Rubinstein. Ähnlich wie Richard Wagner durchlebte Tschaikowsky eine schwierige Kindheit, welche durch zwei Umzüge (von der Provinz in die Hauptstadt und wieder zurück) und durch den frühen Tod der Mutter (an Cholera) überschattet wurde. Tschaikowsky litt an häufigen Krankheiten, Nervenanfällen und an Isolation, wodurch sich schon beim Knaben eine gewisse Egozentrik ausprägte, häufig einhergehend mit Wutausbrüchen und heftigen Reaktionen auf Kritik – Eigenschaften, die er zeit seines Lebens behalten sollte. Weiblichkeit idealisierte er in hohem Maße, ohne es je zu intimen Beziehungen kommen zu lassen. Einzige Ausnahme war 1877 seine katastrophale Heirat mit Antonina Miljukowa als letzter Versuch, gegen seine Homosexualität anzukämpfen, woraufhin ein völliger Nervenzusammenbruch folgte. Danach stand er sich selbst gegenüber zu seiner Natur und lebte diese auch aus. Seine Prägungen haben Tschaikowsky innerlich stark beschäftigt und seine Kompositionen waren dabei für ihn ein wichtiges emotionales Ventil. Die Arbeit an seiner Oper Eugen Onegin, dem Puschkin-Stoff über eine ungleiche und daher tragische Liebe, diente auch der Verarbeitung dieser dramatischen persönlichen Erlebnisse. Inzwischen war er durch eine Leibrente seiner Gönnerin Nadeshda von Meck finanziell abgesichert und konnte dadurch seine Tätigkeit als Professor am Moskauer Konservatorium aufgeben, um sich ganz dem Komponieren zu widmen. Als Dirigent seiner eigenen Kompositionen machte er diese auch im Ausland bekannt. Zahlreiche Meisterwerke wie das erste Klavierkonzert (1875), die drei letzten Sinfonien (Nr. 4 f-moll von 1877, Nr. 5 e-moll von 1888 und Nr. 6 h-moll von 1893), das Violinkonzert (1878), Programmouvertüren wie ‚Romeo und Julia‘ (1869/80), die Opern Eugen Onegin (1879) und ‚Pique Dame‘ (1890) sowie seine drei Ballettmusiken ‚Schwanensee‘ (1877), ‚Dornröschen‘ (1890) und ‚Der Nussknacker‘ (1892) haben dem Komponisten, der 1893 in St. Petersburg 53-jährig an Urämie als Folge der Cholera aus dem Leben schied, unsterblich gemacht.

    Ivo Zöllner