Zauberflöte

Programmheft Zauberflöte


Zauberfloete

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  • Mozarts ZAUBERFLÖTE –ein Mysterium

„Mozarts größtes Werk bleibt DIE ZAUBERFLÖTE“. Der dies sagte, war kein
Geringerer als Ludwig van Beethoven. Solche Urteile (wie auch das Richard Wagners) muss man einigen Opern- und Klassikliebhabern in Erinnerung rufen, die Mozarts letzter Oper ihre ungeheure Popularität zum Vorwurf machen. Richtig ist, dass Mozart die Oper 1791 im Auftrag des Wiener Vorstadt-Theaterdirektors Emanuel Schikaneder komponierte, der auch das Textbuch selbst beisteuerte – mit dem Ziel, einen großen Kassenerfolg zu erzielen. Die Uraufführung wurde tatsächlich zum Triumph und noch heute ist DIE ZAUBERFLÖTE die populärste Oper, die je in deutscher Sprache komponiert wurde. Wenn man sie aber auf diese Popularität reduziert, tut man ihr Unrecht. Mozarts letztes Bühnenwerk ist sein musikalisches und geistiges Vermächtnis, die vollkommene Verschmelzung vieler höchst unterschiedlicher Ebenen und Stile, von der Hanswurst-Posse um Papageno bis hin zu den Initiationsritualen der Freimaurer, die sowohl Mozart als auch Schikaneder als Logenbrüder sehr gut kannten. Es ist ein großes Welttheater, welches das irdische
Leben in seiner Komplexität und Vielschichtigkeit vorführt wie kaum ein anderes Werk des Musiktheaters. Jeder kann darin das finden, was ihn bewegt. Beethoven fand zum Beispiel in der ZAUBERFLÖTE den universalen Menschheitsbegriff, der ihn nicht nur musikalisch fesselte. In Mozarts Finalchor des 1. Aktes klingen textliche und musikalische Elemente von Beethovens Schlusschören im „Fidelio“ und in der Neunten Sinfonie schon deutlich durch. Und in dieser Oper fand Beethoven auch ein Vorbild für seine Retterin Leonore: Pamina. Zwar fußt das Textbuch noch deutlich auf dem Orpheus-Mythos, bei dem der Gatte die Gattin erretten will, dennoch wird bei Mozart die zu Rettende am Ende zur Retterin: „Ich selbsten führe dich“, singt Pamina unmittelbar vor der Feuer- und Wasserprobe zu Tamino und führt diese Szene tatsächlich auch musikalisch an. Aber auch die negative Gegenfigur des Pizarro fand Beethoven in der ZAUBERFLÖTE vorfiguriert, und zwar in der
Königin der Nacht: Beide Rache-Arien stehen in d-moll und haben Oktavsprünge abwärts als Zeichen ihres emotionalen Ausnahmezustands gemeinsam. Auch bei Beethoven triumphieren am Ende die Strahlen der Sonne über die Nacht, ist sein Prinzip „Durch Nacht zum Licht“ bereits in der ZAUBERFLÖTE angelegt.

Emanuel Schikaneder hat zwar das Libretto selbst abgefasst, aber die Geschichte von der Zauberflöte nicht erfunden. Er verwendete die Erzählung „Lulu oder die Zauberflöte“ von August Jakob Liebeskind, die Christoph Martin Wieland in seiner Sammlung „Dschinnistan oder Auserlesene Feen- und Geistermährchen“ herausgegeben hatte. Diese Geschichte diente einige Jahre später auch dem aus Uelzen stammenden dänischen Hofkomponisten Johann Friedrich Kuhlau als Vorlage für seine „Lulu“-Oper, die sich enger an die literarischen Vorlage anlehnt und den Namen des Titelhelden unverändert lässt, während Schikaneder den Prinzen Lulu in Tamino umbenennt. Für Schikaneder kam noch eine zweite wichtige literarische Quelle hinzu: der historische Roman „Sethos“ von Abbé Jean Terrasson (1731) inspirierte die sich in dieser Zeit etablierenden Geheimgesellschaften, darunter die Freimaurer, stark. Sie sahen in den dort geschilderten ägyptischen Mysterien große Parallelen zu ihren eigenen Mythen. Schon einige Jahre vor der Zauberflöte komponierte Mozart die Zwischenaktmusik zum Schauspiel „Thamos, König von Egypten“ von Tobias Philipp von Gebler, einer Bühnenversion des „Sethos“-Romans. Für unseren Regisseur Volker Vogel, der die Mitwirkenden gleich auf der ersten szenischen Probe vor Vor- und Fehlurteilen über das Werk warnte, ist DIE ZAUBERFLÖTE ein großes Mysterienspiel, das Licht in die Finsternis des Menschendaseins bringen soll. Das Stück hat für ihn zwei Ebenen, die sich ergänzen: das komödiantische Wiener Vorstadttheater, das ein Kasperle- und Hanswurst-Theater war, und dann eben auch eine deutlich darüber hinausgehende Ebene, die helfen soll, die Menschheit voranzubringen. Für Volker Vogel, selbst Bruder in einer Freimaurerloge, sind alle Figuren der ZAUBERFLÖTE Teil eines großen
Spiels, dazu veranstaltet, zwei Menschen neue Erfahrungen über sich selbst zu ermöglichen und sie zu neuen Ufern aufbrechen zu lassen. Die im Stück häufig thematisierte Unterscheidung von männlich und weiblich steht für ihn dabei weniger für eine geschlechtliche Unterscheidung der Menschen, sondern dient vielmehr zur geschlechtsunabhängigen Charakterisierung von menschlichen Verhaltenszügen. Nicht nur Tamino und Pamina, sondern auch die Zuschauer können neben aller guten Unterhaltung bei diesem Spiel viel über sich erfahren, wenn sie dies wollen.
Ivo Zöllner